Sieht man solche historischen Navigationsgeräte zum ersten Mal, scheint das schon alles recht kompliziert und mystisch.
Erst beim zweiten Hinschauen kommt man so langsam dahinter, welchen Sinn die Kurven, Linien und Zeichen haben.
Nur etwas Zeit und Ausdauer ist nötig.
Betrachten wir zum Beispiel einmal die Stunden-Linien. Ihre Entstehung
können wir uns so vorstellen , dass am Gunter Quadranten die Perle
auf die tagaktuelle Sonnendeklination eingestellt wird, nun
stündlich die Sonne angepeilt und genau an der Perle einen
Punkt gesetzt wird. Wenn man das ein Jahr durchhalten würde,
entstünden die Stundenlinien. Ich nehme an, dass die Quadranten
auch auf solch empirische Weise entstanden sind.
Natürlich geht das auch einfacher. Die
Stundenlinien entsprechen dem Kurvenverlauf von Winkel
(Sonnenhöhe) und aktueller
Sonnendeklination. Das soll die folgende Skizze veranschaulichen. Wir
sehen, dass die 12 Uhr Linie in der orthogonalen Darstellung eine Gerade
ist. Diese Gerade verläuft vom 20.06. bis zum 21.12. Auf dem
Gunter-Quadrant wird sie an Deklination=0 "gespiegelt" , d.h. sie
erhält im Äquinokium den Knick. Das ist sicher aus
Gründen der Übersichtlichkeit und besseren Ablesbarkeit
gemacht worden, auf das mathematische Prinzip ohne Auswirkung.
Diese Geraden ergibt sich, da sich der tägliche
Sonnenhöchststand ergibt aus: 90°- geografische Breite +
Deklination.
FEunktionsskizze Gunter-Quadrant
Zur Anwendung:
- Wir wollen die Sonnendeklination bestimmen, dazu
den Faden auf den aktuellen Tag stellen (in den originalen Quadranten ist die Monatsskala noch stärker detailliert)
Danach schiebt man die Perle auf die 12 Uhr Kurve. Mit dieser
Perlenstellung kann man am linken Quadrantrand auf der Skala die
Sonnendeklination ablesen.
- Wir wollen die aktuelle Uhrzeit bestimmen, dazu
die Perle auf die aktuelle Sonnendeklination (links am Rand) einstellen
( 1 ), danach die Sonne über die Visierlinie anpeilen (aktuelle
Sonnenaltidute), kann an der Gradskala ( 2 ) unten abgelesen werden.
- für die Bestimmung der Uhrzeit ist der Schnittpunkt Perle -
Stundenkuve ( 3 ) wichtig. Verfolgt man die Stundenkurve nach rechts
oder nach links, erhält man in der Stundenskala die aktuelle
Uhrzeit Nachmittag oder Vormittag. In unserer Skizze z.B. 4 Uhr pm,
(entspräche 8 Uhr am). Wenn sich die Perle zwischen zwei
Stundenkurven befindet, muss man entsprechend approximieren.
Eine sehr anschauliche Darstellung (Java-Applet) findet man unter www.geoastro.de/gunter von Jürgen Giesen!
Anmerkung zum Kalender:
Man kann am Gunter-Quadrant und an anderen historischen Astrolabien gut
ablesen, ob sie vor der Einführung des Gregorianischen Kalenders
oder danach eingerichtet wurden. Mit dem Gregorianischen Kalender
wurde das Primar-Äquinokium (Frühlings-Tag-Nacht-Gleiche) auf
den 21. März festgelegt, dazu mussten beim Kalenderübergang
11 Tage "übersprungen" werden. Das passierte in den einzelnen
Ländern und Herrschaftsgebieten zu sehr unterschiedlichen
Zeitpunkten (von 1582 im katholischen Rom bis hinein in das Jahr
1920 in Sowjetrußland. Dort wird daher noch heute im November an die
Oktoberrevolution erinnert.)
Am Gunter Quadrant einfach die Linie Aufhängung Lot durch den
Punkt 12 Uhr bei Deklination = 0 ziehen. Das ist die Linie des
Äquinokiums. Die Verlängerung durch das Kalenderfeld zeigt im
obigen Beispiel auf den 10. März, es ist also die Skizze eines
alten Quadranten vor der Kalenderumstellung.
Da ein Gunter-Quadrant genau für eine geografische Breite
ausgelegt ist, wurde diese auf den meisten Geräten deutlich
eingraviert. Wenn man die o.g. Äquinokiums-Linie bis zur Grad-Skala darunter verlängert, zeigt sie auf
(90°- geografische Breite). Damit kann man also auch sehr leicht die geografische Breite, für die das Gerät bestimmt ist ermitteln.
Der Gunter-Quadrant war aus Messing gefertigt, versehen mit filigranen, oft kunstvoll verschmückten Gravierungen.
Er hat die Form eines Viertelkreis, in dessen Mittelpunkt ein Seidenfaden mit kleinem Lot befestigt war.
Auf dem Seidenfaden konnte eine kleine Perle als Markierung verschoben werden.
Das Buch "500 Jahre Navigation" von Meyer-Haßfurther ist sehr zu empfehlen für den Überblick
über die Kunst der Herstellung und Anwendung von Navigationsgeräten aus den vergangenen Jahrhunderten.
Der Gunter Quandrant entspricht im Prinzip dem Ausschnitt aus einem Astrolarium, bezogen auf einen festen
Breitengrad.
Gunter's book lists some of these uses:
"to finde the day of the moneth
to finde the houre of the day.
to find
the beginning of day-breake, and end of twi-light
to find the houre of the
night by the stares
to find the houre of the rising and setting of the Sun,
and
thereby the length of the day and night"
Es ist faszinierend, mit welchen Hilfsmitteln sich die Seeleute vergangener Jahrhunderte an den natürlichen
Gegebenheiten "Sonne, Mond und Sterne" orientierten, um sicher über die Meere zu kommen!
Kamal-Holztäfelchen, Jacobstab (nicht nur für die Winkelmessung, sondern auch gut bei Entfernungsmessungen),
Quadranten, Astrolabien, Oktantan, Sextanten uvm.
Natürlich hat mich besonders der Gunter-Quadrant interessiert, schon wegen der Namensverwandtschaft. Aber
sein Name geht auf den englischen Mathematiker Edmond Gunter (1581 - 1626) zurück, also höchstwahrscheinlich
weder verwandt noch verschwägert.
Der Gunter-Quadrant war ein cleveres Meßinstrument, man könnte sagen die Taschenuhr des 17. Jahrhunderts, denn
vor allem zur Bestimmung der Tageszeit wurde er benutzt, aber viele Informationen mehr konnte man erhalten.
Der Gunter - Quadrant