Segeln nach Sant Petersburg Nachdem wir in den vergangenen Jahren mehrere Törnwochen im Baltikum unterwegs waren (Estland /Tallinn, Estnische Inselwelt, Finnland / Helsinki, Lettland / Riga), stand in diesem Jahr St. Petersburg / Russland auf dem Plan, zwei Wochen mit Crewwechsel in Petersburg. Nach diesem Törn hatte ich viele Anfragen: Wie war's?  Kann man nach Russland segeln? Was ist vorzubereiten? usw. Deshalb hier einige Informationen zu meinem Törn, nicht im Sinne eines Törnberichtes sondern als Erfahrungsbericht von diesen zwei Wochen über ca. 500 sm. Vorab --- St. Petersburg ist eine Reise wert! Interessante Geschichte, schweres Erbe aus dem Krieg, aber auch viele neue und moderne Highlights in dieser 5 Mio Einwohner-Stadt! ... dazu noch ein Muss für Besucher: Petershof.
Petersburg ist gut zu erreichen per Flugzeug oder Kreuzfahrtschiff. Wer aber unter Segeln nach Petersburg will, hat schon einen größeren Vorbereitungsaufwand zu absolvieren: - Visum, Routenplanung, Marinas in Petersburg,  russische Einreisebestimmungen und Kontrollen, notwendige Einreiseunterlagen zu Personen und zum Boot, u.a. Viele Infos dazu sind in einer Broschüre der Kreuzerabteilung des DSV zusammengestellt. Leider erhält man diese Unterlagen aber nur als Mitglied der Kreuzerabteilung. (Warum eigentlich werden diese Informationen nicht allen Interessierten bereitgestellt, lieber DSV?) Doch es geht auch anders. Sehr wichtig war mir der Kontakt zu Tatiana Bykowa aus Petersburg, die auch Mitautorin der DSV-Broschüre ist. Für die Vorbereitung und Durchführung eines Petersburg-Törns kann ich Tatiana nur dringend empfehlen! Sehr gute Unterstützung, sie spricht perfekt deutsch, nimmt Verbindung zur Russischen Küstenwache und zur Passport-Stelle in Petersburg auf  und sie kann Petersburg in Stadtrundfahrten hervorragend vorstellen. Tatiana ist Repräsentantin der Kreuzerabteilung in St. Petersburg. Taiana Bykowa, E-Mail: yachts-spb@mail.ru. Zu den Herausforderungen im Einzelnen: Visum: Man benötigt für die Einreise ein russisches Visum. Das Prozedere ist nervig und aufwendig, es soll künftig erleichtert werden, habe ich gelesen. Aber in 2019 haben wir den Behördenaufwand ertragen müssen. Empfehlungen: VISA-Beschaffung über Visa-Agentur "PassPort-Hamburg", Dieter Steinborn oder selbst organisieren über ein Russisches Generalkonsulat. Wichtig dabei, alle Unterlagen  akribisch vorbereiten entsprechend den russischen Vorgaben - das erspart Zeit und Ärger. Bei der Beschaffung der notwendigen Einladung nach Russland hilft Tatiana Bykowa.
zur Route: Wer sehr viel Zeit hat, wird die Segel-Reise in Deutschland antreten. Wenn aber nur eine Woche hin und eine Woche zurück zur Verfügung stehen, dann empfiehlt sich der Start in Tallinn oder in Helsinki. (Charter in Tallinn möglich bei sailing.ee oder in der Marina Pirita, in Helsinki gibt es ebenfalls diverse Möglichkeiten.) Grundsätzlich gibt es zwei Wege, um bis Petersburg zu gelangen. Die nördliche Route über Finnland oder die südliche über Narva (Estland). Für beide Wege muss man sich auf lange Schläge einstellen. Wie immer hängt auch viel vom Wind und Wetter ab. Die südliche Route ist nicht kürzer, auch wenn es auf der Karte so scheint. Denn nördlich von Narva sind größere russische Gebiete in den Seekarten mit "restricted" ausgewiesen und die offiziellen Seewege führen zunächst sogar wieder ein ganzes Stück nach Osten zurück. Bei der Zeit- und Routenplanung ist auch zu beachten, dass man in Russland nur auf offiziellen Seewegen fahren darf und dass Segeln in der Nacht nicht gestattet ist. Die nördliche Route führt durch die finnische Inselwelt, in der auf den kleinen Inseln Marinas modern ausgebaut werden; zu empfehlen z.B. Kaunissaari, inzwischen auch für größere Boote mit 2 m Tiefe geeignet. Letzter Stopp vor der russischen Grenze: in Kotka oder auf der Insel Haapasaari (siehe linkes Foto, rechts Kaunissaari)
Passport-Stellen zum Ausklarieren aus Europa sind mir bekannt in Helsinki/ Soumenlinna, Kotka, Haapasaari, Tallinn und Narva. Einklarieren auf russischer Seite: Border Control Point in Saint Petersburg/ Kronstadt im Fort Konstantin. (www.balticborder.com)
Im Bild ist die von mir gewählte Zweiwochen-Route im Überblick dargestellt: Start in Tallinn, mit je einem Landtag in Tallinn und Helsinki und drei Tagen Aufenthalt in Petersburg / Kronstadt.
Achtung, falls ihr in Finnland unterwegs seid, bitte immer Rettungswesten tragen. Insbesondere im Raum Helsiki wird das kontrolliert. Wir wurden von der Küstenwache dazu ermahnt und bei der Gelegenheit "durften" wir gleich noch zu einer Zollkontrolle in Soumenlinna anlanden! Über russische Einreisebestimmungen und Kontrollen: Unterwegs, an der Grenze: In der Vorbereitung hatte ich in den Unterlagen gelesen: Die finnisch-russische Grenze ist zwischen den beiden Tonnen 15 und 16 (GPS etwa 60° 12.6 N,  027° 21.1 E) ) zu passieren. Davor ist eine Anfrage über CH16 an die russische   Küstenwache   zu   stellen:   Kennwort:   "Velboot"   und   "we   would   like   to   get   permission to enter Russian waters, here are seven persons on board, destination is Petersburg, ..." Soweit zur Theorie. Ich setzte diesen Spruch also nachts gegen 01:00 Uhr an der finnisch- russischen Grenze ab --- und --- keine Reaktion. Funkstille. Mehrfache Wiederholung, keine Reaktion von russischer Seite. Da zweifelt man schon am Funkgerät und/oder an der russischen Wachsamkeit. Doch dann ruft die (genervte) finnische Küstenwache zurück, dass sie unsere Message an die Russen weitergeleitet hätten und wir fahren sollten. OK, also rein nach Russland! Später hat man mir versichert, dass uns ein russisches Schnellboot in wenigen Minuten aufgebracht hätte, falls wir unerlaubt eingefahren wären. Ein bisschen Russisch Roulett!
Papiere: Wichtig ist die Crewliste  (ich habe auf dem Törn insgesamt 8 Exemplare für Ein- und Ausreise gebraucht. Es ist mir unklar, wo die jetzt alle liegen und wen die warum interessieren.) - Kopien vom Skipper-Pass und den Segellizenzen. - Passenger Costums Declaration (für Ein- und Ausreise wichtig) Unterlagen zum Boot: - Bootszertifikat (Registration Certificate of Recreational Craft) ! Kopien - Chartervertrag,  ! Kopien - Boot-Versicherungsbestätigung (Certificate of Insurance) - Offizielle Bestätigung, dass man als Skipper das Boot fahren darf (Power of Attorney)
Alle weiteren Formulare, die beim Einklarieren verlangt werden, kann man vor Ort dann ausfüllen (Angaben zum Boot und zum Motor, Hersteller, Leistung, ...) Der Crewwechsel verlief ohne Probleme, ich hatte jeweils aktuelle Crewlisten vorbereitet. Bestimmungen zur Einreise: Erste Voraussetzung ist natürlich, dass alle an Bord ein gültiges Visum im Pass haben. Selbstredend, dass man keine Waffen, keine Betäubungsmittel usw. an Bord haben darf. Für Medikamente, die verschreibungspflichtig sind, sollte man ein entsprechendes Rezept vorlegen. (Das wurde aber bei unserer Einreise nicht abgefragt.) Schwieriger   wurde   es   aber   dann   beim   Thema   Alkohol!   Erlaubt   ist   die   Einfuhr   von   3   Litern Alkohol   pro   Person,   incl.   Bier   oder   Wein.   Da   soll   es   Crews   geben,   die   sich   zum   Törnbeginn so   reichlich   eindecken,   dass   am   Vortag   der   Einreise   Inventur   gemacht   werden   muss   und schwere Entscheidungen zu treffen sind! Bootskontrolle: Das ist ein Erlebnis! Danach kennst du dein Boot besser als der Hersteller! Als Skipper musste ich buchstäblich alle Klappen, alle beweglichen Bodenplatten, Schrankfächer, den Motorraum, Betten und Stauräume usw. öffnen. Diese Kontrollen werden in Russland sehr ernst genommen, sowohl bei der Ein- als auch bei der Ausreise. Also viel Gelassenheit und Geduld. Die Crew hatte nach den Kontrollen ihre Kajüten kaum wieder erkannt! Liegeplätz in Petersburg: - Sea Yacht Club Petersburg und Centre Yacht Club (info@yachtclub.spb.ru), beide an der Insel Petrowski auf der Malaja Newka. Aber Achtung:  Wer diese beiden Marinas besuchen will, muss unbedingt die Masthöhe beachten. Die Brücke des neu gebauten Western-High-Speed-Diameters kann man nur mit maximal 23 Meter Mast durchfahren. Für Masthöhen darüber bietet sich die - Marina Herkules (wird zur Zeit erweitert) direkt am 460 m hohen Gasprom-Tower an oder man bleibt  im - Fort Konstantin in Kronstadt (Kontakt unter: +79215786366) und nimmt dort einen Liegeplatz. Ich war mit einer Hanse531 (Masthöhe ÜW 27,5 m) unterwegs und bin in Kronstadt geblieben. Man liegt dort sicher und ruhig. Die Verbindung nach Petersburg oder Petershof ist per Taxi oder öffentlichen Verkehrsmitteln gut gegeben. In der Marina Fort Kronstadt gibt es ein Restaurant (im Hotel) und eine Tankstelle. Wasser für das Boot kann man aus einem provisorisch angeschlossenem Wasserschlauch erhalten. Toilette und Dusche sind weit unter Niveau!
Geldtausch: Man kann grundsätzlich mit VISA Card zahlen oder in der Touristenbereichen mit EURO. Trotzdem hatten wir ein paar Rubel einstecken, für Taxi, Bus oder kleinere Ausgaben. 200 Rubel, das sind etwa 3 € Verständigung in Russland: Geht irgendwie - ist aber sehr schwierig. Es wird kaum Englisch gesprochen, deutsch überhaupt nicht! (Außer natürlich Tatiana, sie war uns auch als Translater sehr willkommen). Leider reichte unser Schul-Russisch aus längst vergangenen Jahren auch nicht viel weiter. Was mich sehr verwunderte, dass auch bei der Einreise- und Zollkontrolle oder im Hafenbüro überhaupt kein Englisch verstanden wurde. Sehr wichtige Fragen hatte ich mir schließlich mit dem Google-Übersetzer nach Russisch übersetzt. Man muss halt improvisieren. Sehr vorteilhaft: Wir hatten uns im Vorfeld bereits die "Travel SIM-Welt Prepaid Karte" (https://travelsim.de/de/buy/) 30 Tage für Russland, Finnland und Estland besorgt, 5 GB ausreichend für Online-Navigation,  für Wetterinfos und mail-Dienste und dazu noch 20 Minuten Telefon. Russische Gastfreundschaft: Wir hatten die Leinen im Fort Konstantin noch nicht ganz fest, da stand schon der  russische Stegnachbar am Boot, ein Tablett mit Gläschen in der einen Hand und einer Flasche Wodka in der anderen. Man will ja nicht unhöflich sein,  на здоровье 1,   на здоровье 2, ... Wenn ich oben von Verständigungsproblemen sprach, betrifft das nicht diesen Abend! Also zu solch einem Törn gehört nicht nur See-,  sondern auch ein gut Maß Trinkfestigkeit! September 2019 Gunter Wiedemann
in St Petersburg
Land in Sicht ...